Nachdem Sie sich in den ersten beiden Abschnitten vor allem mit sich selbst beschäftigt haben, werden wir uns nun mit Dritten befassen, die Ihnen bei Ihren Bemühungen um einen Arbeitsplatz helfen können. Konkret werden wir uns mit dem rechtlichen Rahmen, möglichen Beratung und Unterstützungsdienste.

Da sich dieser Leitfaden auf einen gesamteuropäischen Rahmen bezieht, ist es nicht möglich, hier einen Überblick über die spezifische Rechtslage zu geben. Dazu sind die nationalen Unterschiede bei der Beschäftigung von Menschen mit Epilepsie einfach zu groß. Es ist wichtig, dass Sie sich über die spezifischen rechtlichen Bedingungen für Ihren Wunschberuf und Ihre Erkrankung informieren. Das verhindert nicht nur unangenehme Überraschungen, sondern gibt Ihnen auch mehr Sicherheit und macht eine Kündigung unwahrscheinlicher. Die wichtigsten Fragen, die Sie sich stellen sollten, sind, ob es für Sie verbotene Berufe gibt; dazu gehören oft Tätigkeiten wie Militär oder Berufskraftfahrer:in. Als Nächstes sollten Sie feststellen, ob Sie verpflichtet sind, Ihre Erkrankung während des Bewerbungsverfahrens offen zu legen. Schließlich sollten Sie prüfen, inwieweit Sie Anspruch auf bestimmte Leistungen zur beruflichen Eingliederung haben. So ist es beispielsweise möglich, dass die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz vom Staat übernommen werden oder dass Teile Ihres Gehalts, Weiterbildungsmaßnahmen oder Ähnliches unterstützt werden können.

Sie müssen sich nicht mit all diesen Fragen einzeln auseinandersetzen. Es gibt zahlreiche Verbände, Organisationen, medizinische Zentren, Integrationsämter, psychosoziale Dienste und soziale Einrichtungen, die sich auf epilepsiebezogene Fragen spezialisiert haben oder spezialisierte Teams und Berater:innen beschäftigen. Diese Organisationen stellen oft spezielle Leitfäden, Handbücher oder Broschüren zusammen, die Ihnen bei Ihrer beruflichen Orientierung helfen sollen. In größeren Städten werden Sie wahrscheinlich schneller eine geeignete Anlaufstelle finden als in ländlichen Gebieten. Bei Bedarf kann Ihnen auch Ihre nationale Arbeitsagentur weiterhelfen oder Sie an eine geeignete Stelle verweisen. Die deutsche Bundesagentur für Arbeit finden Sie zum Beispiel hier. Auch wenn sich die Suche anfangs schwierig gestaltet, sollten Sie nicht zögern, die Hand auszustrecken und aktiv nach entsprechenden Angeboten zu suchen. Das schlimmste Ergebnis ist, ein “Nein” als Antwort zu erhalten. Das richtige Gespräch zur richtigen Zeit kann sich als wegweisend erweisen. Für Ressourcen im deutschsprachigen Raum finden Sie zahlreiche solcher Angebote in den Referenzen unter diesem Text.

Sind Sie gut informiert? Eine Beratung kann sich trotzdem lohnen!

Das Haupthindernis für Menschen mit Epilepsie am Arbeitsplatz ist nicht die Erkrankung selbst und die daraus resultierenden Einschränkungen, sondern vielmehr das mangelnde Bewusstsein und die damit verbundenen Vorurteile potenzieller Arbeitgeber:innen. Für die meisten ist es nicht die Epilepsie, die ihnen Grenzen setzt, sondern die Unfähigkeit der Gesellschaft, damit umzugehen. In dieser Hinsicht kann die Beratung durch erfahrene Fachleute Türen öffnen, von denen Sie nicht einmal wussten, dass sie existieren. Zu wissen, wie man auf einen skeptischen Personalabteilung oder ein:e besorgte:r Chef:in, der:die jedes Risiko vermeiden will, kann eine Herausforderung sein. Was dem einen als unüberwindbare oder gar entwürdigende Aufgabe erscheinen mag, ist für eine:n geschulte:n und erfahrene:n Epilepsieberater:in ein ganz normaler Arbeitstag.

Auch die Vernetzung und der Kontakt mit Menschen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, kann ein entscheidender Faktor sein. Viele Menschen finden Unterstützung durch den Erfahrungsaustausch in Selbsthilfegruppen. Beratungsdienste können dabei helfen, Kontakte zu knüpfen oder sogar neue Gruppen zu gründen. Das Stigma, das mit Epilepsie verbunden ist, kann das Selbstwertgefühl beeinträchtigen und damit auch die Fähigkeit, sich bei Vorstellungsgesprächen positiv zu präsentieren. Es ist schwierig, aus einer Position mit geringem Selbstbewusstsein heraus einen Job zu suchen. Falls Sie eine andere Formulierung wünschen, lassen Sie es mich wissen! Wenn Sie nicht an sich selbst glauben, wird es schwierig sein, andere von Ihren Fähigkeiten zu überzeugen. Ein regelmäßiger Austausch mit Menschen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, kann eine wertvolle Unterstützung für verschiedene alltägliche Herausforderungen sein, auch für das Bewerbungsverfahren.

Aufgabe: Recherchieren Sie selbst! Was Beratungsstellen für Menschen mit Epilepsie oder ähnliche Angebote gibt es in Ihrer Region? Wenn es keine gibt, suchen Sie nach nationalen Beratungsstellen, die telefonische oder Online-Beratungen anbieten. Beziehen Sie auch Verbände, Organisationen oder Selbsthilfegruppen in Ihre Recherchen ein.

  • Ein guter Ausgangspunkt für die Suche nach lokaler Unterstützung ist die Suche im Internet nach dem Stichwort “Epilepsie” in Kombination mit Ihrer Heimatstadt oder die Eingabe des Stichworts “Epilepsie” in einem Suchradius bei Google Maps. Wenn Sie in einem Ballungsraum leben, kann es von Vorteil sein, bei der Recherche weitere Stichworte wie “Beratung”, “Selbsthilfe” oder “Selbsthilfegruppe” anzugeben.
  • Wir können keine Links und Ratschläge für ganz Europa anbieten. Aber für Menschen, die in Deutschland leben, ist der Selbsthilfegruppen-Finder der Deutschen Epilepsievereinigung sehr nützlich. Die Deutsche Epilepsievereinigung bietet auch Hotlines für allgemeine Beratung und familiäre Herausforderungen an.
  • Finden Sie einfach einen Ansatzpunkt! Selbst wenn Sie nicht genau das finden, was Sie suchen, können Ihnen die gefundenen Kontakte bei Ihrer weiteren Suche sicher weiterhelfen. Treten Sie in den Dialog!

Die Frage der Offenlegung – Offenheit ist auf lange Sicht gut, aber selten ein guter Einstiegspunkt

In Deutschland und anderen Ländern ist eine Person mit Epilepsie im Allgemeinen nicht verpflichtet, ihre Arbeitgebende über ihre Krankheit zu informieren, solange ihr Gesundheitszustand sie nicht daran hindert, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen. Wenn Sie jedoch eine amtlich anerkannte Schwerbehinderung haben, sind Sie verpflichtet, diese offenzulegen. Die Arbeitgeber:innen dürfen auch danach fragen.

Wie offen Sie mit Ihrer Erkrankung umgehen und wann und wo Sie Ihre:n potenzielle:n Arbeitgeber:in informieren wollen, ist weitgehend Ihre eigene Entscheidung. Es ist jedoch ratsam, in Ihrer Erstbewerbung keine Informationen über chronische Erkrankungen oder das Vorhandensein eines Behindertenausweises zu geben. Es gibt keine allgemeingültige Empfehlung für den Zeitpunkt und die Art der Offenlegung. Dies hängt von Ihrer spezifischen Erkrankung und dem Grad der Offenheit und Akzeptanz ab, den der:die Arbeitgeber:in erwartet. Generell gilt: Je stärker sich Ihre Erkrankung auf Ihre tägliche Arbeit auswirkt, desto eher empfehlen wir eine frühzeitige Offenlegung. Wenn Sie seit Jahren anfallsfrei sind und/oder Anfälle nur nachts oder außerhalb der regulären Arbeitszeiten auftreten und keine anderen medikamentenbedingten Nebenwirkungen auftreten, ist eine frühzeitige Offenlegung möglicherweise nicht erforderlich, es sei denn, es besteht in Ihrem Land eine gesetzliche Verpflichtung.

In den meisten Fällen empfiehlt es sich, nach der Einarbeitungszeit zumindest die engsten Kolleg:innen zu informieren, um Akzeptanz auch für minimale Unterbrechungen der täglichen Arbeit zu schaffen. Lassen Sie sich diesbezüglich von den bereits erwähnten Beratungsstellen beraten. Es kann auch von Vorteil sein, wenn die Beratungsstelle bei der ersten Kommunikation zwischen Arbeitgeber:in und Bewerber:in oder später im Einführungsprozess als Vermittlung fungiert und Maßnahmen zur Sensibilisierung am Arbeitsplatz oder zur sicheren Arbeitsplatzgestaltung anleitet.