In den Abschnitten 1 und 2 haben wir uns bereits damit befasst, wie Aufgaben für Menschen mit Epilepsie verteilt werden können und wie wichtig es in diesem Zusammenhang ist, die Bedürfnisse des gesamten Teams zu verstehen, um eine respektvolle und angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen. Langfristig kann es das Ziel von Organisationen sein, dass die Mitarbeiter:innen ihre Aufgaben selbst organisieren. Auf diese Weise können sich die Mitarbeiter:innen an ihren individuellen Bedürfnissen und Vorlieben orientieren. Das bedeutet, dass sich eine Organisation in Richtung einer stärker selbstorganisierten Arbeitsweise entwickelt.

Jede Organisation sollte für das Konzept der Selbstorganisation offen sein, unter anderem, weil sie die Entscheidungsverantwortung auf viele Schultern verteilen kann. Wichtig ist dabei ein ganzheitlicher Ansatz, der Inclusive Leadership sowohl als Entwicklung von Menschen als auch von Organisationen begreift. Führungskräfte können wieder effektiver werden, wenn sie auf Dezentralisierung, geteilte Verantwortung und kooperative Entscheidungsfindung setzen. Führung ist heute immer inklusiv.

Wie kann eine Organisation mehr Selbstorganisation entwickeln? Wie können Teammitglieder, sowohl Menschen mit Epilepsie als auch der Rest des Teams, sich selbst organisieren und Aufgaben selbstständig zuweisen und damit erfolgreich sein? Dazu müssen die Mitarbeiter:innen ermutigt werden, Eigenverantwortung zu übernehmen und verantwortungsbewusst zu handeln. Das Erasmus+ Projekt INCLUDE kann hier wertvolle Unterstützung leisten. Es bietet ein Handbuch mit 27 Tools an, die Organisationen bei der Selbstorganisation im Zeitalter der Digitalisierung helfen.

Eines dieser Instrumente ist das “Delegation Board”. Es kann den Prozess unterstützen, Menschen mit Epilepsie, genau wie andere Teammitglieder, in die Lage zu versetzen, Verantwortung zu übernehmen und ihre Aufgaben selbst zu organisieren.

Um ein Team zu ermutigen, mehr Verantwortung zu übernehmen, sollte die Delegation darin bestehen, die Entscheidungsfindung und Zielerreichung in einer für alle verständlichen Weise zu übertragen. Dieser Ansatz ermöglicht es den Teammitgliedern, ihr Urteilsvermögen innerhalb vorher festgelegter Grenzen auszuüben und aus ihren eigenen Fehlern zu lernen. Delegation im Sinne des Delegationsgremiums bedeutet nicht, Aufgaben und Ziele an andere Personen zu übertragen, um sie dann später zu überwachen. Dieser Ansatz ist typisch für das traditionelle Top-down-Management. Delegieren im Sinne des Delegationsgremiums bedeutet, die Verantwortung für das Endergebnis abzugeben und die Mitarbeiter:innen zu selbstständigem Handeln zu ermutigen. Dieses Ziel können Sie erreichen, wenn Sie die Delegationsstufen gemeinsam mit Ihrem Team festlegen.

Die erste Entscheidung bezieht sich auf den Umfang der übernommenen Verantwortung. Die Delegation erfordert keinen Alles-oder-Nichts-Ansatz, bei dem Sie entweder jeden Aspekt überwachen oder vollständig delegieren. Stattdessen können Sie sich für einen differenzierteren Ansatz entscheiden. Durch die Wahl einer Delegationsstufe, die auf die einzelnen Personen und die jeweilige Situation abgestimmt ist, steigern Sie das Engagement Ihres Teams, fördern seine Entwicklung und setzen sein Potenzial frei – zum Vorteil für Sie und Ihre Teammitglieder. Die Delegationstafel bietet einen Rahmen für die Bestimmung der geeigneten Delegationsstufe und ermöglicht es Ihnen, Faktoren wie die Kompetenz und Reife der Führungskraft, die Fähigkeiten des Teams, die Komplexität der Aufgabe und das Geschäftsumfeld zu berücksichtigen. Mit der Delegationstafel kann die Delegation von Aufgaben auf eine für alle verständliche Weise visualisiert werden. Dabei wird zwischen sieben Delegationsstufen unterschieden, von direkten Anweisungen bis hin zur höchsten Stufe der Übergabe der Kontrolle, bei der die Führungskraft überhaupt nicht mehr beteiligt ist. Je näher ein Team dieser siebten Stufe kommt, desto weiter ist es auf seinem Weg zu einem wirklich selbstorganisierten Team.

Die sieben Stufen der Delegation: Zwischen Kontrolle und uneingeschränktem Vertrauen gibt es Zwischenstufen. Das Delegation Board unterscheidet zwischen sieben Delegationsstufen. Diese Stufen helfen Führungskräften, denen es schwerfällt, die Kontrolle abzugeben, den Prozess des “Loslassens” zu strukturieren. Gleichzeitig werden Teammitglieder, die bisher wenig bis gar keine Verantwortung übernehmen mussten oder wollten, dazu gebracht, mehr für das gesamte Team zu leisten.

Abbildung: INCLUDE – Handbuch, S. 376f

Auf den Stufen 1 bis 3 liegt die Verantwortung für die Entscheidung bei der Führungskraft. Auf Stufe 4 sind alle gleichermaßen an der Entscheidung beteiligt. In den Stufen 5 bis 7 übernehmen das Team oder einzelne Teammitglieder die Entscheidungsverantwortung. Auf der Delegationstafel können Sie leicht visuell erkennen, inwieweit die Verantwortung für die Entscheidung von der Führungskraft auf der rechten Seite auf das Team oder die Teammitglieder auf der linken Seite übergeht.

Beispiel für eine ausgefüllte Delegationstafel:

Abbildung: INCLUDE – Handbuch, S. 375

Aufgabe: Entwickeln Sie eine Delegationstafel für Ihr Team

Beantworten Sie zunächst die folgende Frage: Warum wollen Sie den Delegationsrat nutzen? Es gibt verschiedene geeignete Möglichkeiten, ihn einzusetzen. In der Regel kommen mehrere der folgenden Aspekte zusammen.

  • Sie sollten die Beziehung zwischen Ihnen und den Teammitgliedern, an die Sie Aufgaben delegieren, klar definieren.
  • Sie wollen die Zuständigkeiten innerhalb Ihres Teams von Grund auf neu festlegen.
  • Sie wollen die Grenzen der Verantwortung der einzelnen Teammitglieder festlegen.
  • Sie sind sich nicht sicher, inwieweit Ihr Team oder einzelne Teammitglieder in der Lage und bereit sind, echte Verantwortung zu übernehmen. Sie brauchen daher ein flexibles und leicht anpassbares Instrument.
  • Sie möchten Ihre eigene Arbeitsbelastung und/oder die einiger Ihrer Teammitglieder verringern.

Erstellen Sie eine Liste mit den Entscheidungen und Aufgaben, für die Sie gemeinsam mit Ihrem Team und mit Hilfe des Delegationsboards (linke Spalte) die Verantwortung übertragen möchten. Bedenken Sie, dass in der hier dargestellten Form nur Sie als Führungskraft entscheiden können, welche Entscheidungen und Aufgaben durch das Delegationsboard geregelt werden sollen und welche nicht. Sie können sich aber auch dafür entscheiden, die einzelnen Entscheidungen und Aufgaben gemeinsam mit Ihren Teammitgliedern auszuwählen. Dies eignet sich besonders gut für Teams, die bereits eine gewisse Reife und Erfahrung im Selbstmanagement haben.

Halten Sie schriftlich fest, was genau für jede einzelne Entscheidung oder Aufgabe entschieden werden soll. So wird für alle Beteiligten klar, was in der Kurzbeschreibung in der linken Spalte Ihrer Delegationstafel steht. Diese Erläuterungen erleichtern auch die Integration neuer Teammitglieder. Besonders in Organisationen, in denen die meisten Entscheidungen von der Führungskraft getroffen werden, ist es wichtig, klar zu definieren, was eine Aufgabe mit sich bringt. Nur so können Sie sicherstellen, dass Ihre Teammitglieder einen gründlichen Überblick über die Folgen der einzelnen Entscheidungen haben. Auf diese Weise können Ihre Teammitglieder kompetent mitdiskutieren, wie die Verantwortung neu verteilt werden sollte. Wenn Sie die Liste der Entscheidungen und Aufgaben gemeinsam mit Ihrem Team erstellen, können Sie die Diskussion über die verschiedenen Positionen nutzen, um sicherzustellen, dass jeder die spezifischen Aufgaben auf die gleiche Weise versteht. In diesem Fall sollten die Ergebnisse auch schriftlich festgehalten werden, damit alle sie nachvollziehen kann.

Erstellen Sie abschließend eine Liste mit den Namen aller Personen, die Verantwortung übernehmen können oder sollen. Diese Liste enthält die Namen aller Teammitglieder, von Ihnen als Führungskraft, einzelnen klar definierten Rollen innerhalb des Teams oder des gesamten Teams (mit oder ohne Führungskraft).

Organisieren Sie eine Teamsitzung und sorgen Sie dafür, dass alle Teammitglieder daran teilnehmen können. Gute Gelegenheiten, um mit dem Delegationsbrett zu arbeiten, sind die Integration neuer Teammitglieder oder der Beginn eines neuen Projekts. Wenn Sie bereits davon überzeugt sind, dass der Delegationsrat ein nützliches Instrument ist, sollten Sie jedoch nicht auf eine dieser Gelegenheiten warten.

Erklären Sie allen Teammitgliedern, was das Delegationsbrett ist und warum Sie beschlossen haben, dem Team vorzuschlagen, mit diesem Instrument zu arbeiten. Konzentrieren Sie sich darauf, die Vorteile aufzuzeigen, die die Verwendung des Delegationsboards für Ihr Team, für jedes einzelne Teammitglied und für Sie als Führungskraft haben würde.

Erläutern Sie die sieben Stufen der Delegation und wie sie sich voneinander unterscheiden. Überlegen Sie sich einige Beispiele, die leicht zu verstehen sind und einen Bezug zu Ihrer täglichen Arbeit im Team haben. Sie können auch die unten empfohlenen Ressourcen nutzen, darunter ein Erklärvideo.

Gemeinsam mit Ihrem Team müssen Sie nun für jede Entscheidung oder Aufgabe in der linken Spalte der Delegationstafel eine angemessene Delegationsstufe festlegen. Am besten ist es, wenn Sie dafür ein Flipchart mit Post-it-Notizen vorbereiten. Wenn Sie die Sitzung online abhalten, gibt es Tools wie Miro (siehe Ressourcen unten), die sich hierfür gut eignen. Der Entscheidungsprozess läuft dann wie folgt ab:

  • Alle Teilnehmer:innen werden angeben, welche Delegationsstufe sie für angemessen halten.
  • Sie diskutieren die Argumente, die für oder gegen den vorgeschlagenen Delegationsgrad sprechen, und versuchen, eine Einigung zu erzielen.
  • Wenn Sie keinen Konsens erzielen können, haben Sie als Führungskraft die entscheidende Stimme.

Die Ergebnisse sollten so dargestellt werden, dass sie für alle Beteiligten sowohl physisch als auch virtuell leicht zugänglich sind.

Weitere Informationen und Tipps zur täglichen Unterstützung im Umgang mit dem Delegation Board finden Sie im INCLUDE-Handbuch, S. 373ff.